“Unternehmen gewinnen junge Talente jetzt mit ihrem Purpose” – Gunther Friedl von der TU München im Interview
- Samstag, 12. Februar 2022
- Svenja Rausch
Noch nie war für Unternehmen der Bedarf an jungen Talenten so hoch wie aktuell. Die Hochschulen sind daher der wichtigste Anknüpfungspunkt, um bereits früh mit den Talenten in Kontakt zu kommen.
Noch nie war für Unternehmen der Bedarf an jungen Talenten so hoch wie aktuell. Die Hochschulen sind daher der wichtigste Anknüpfungspunkt, um bereits früh mit den Talenten in Kontakt zu kommen. Gunther Friedl, Dekan an der TUM School of Management der Technischen Universität München aus dem JobTeaser-Partnernetzwerk, verrät im Interview, worauf es für Personaler:innen jetzt ankommt, um die Talente für sich zu gewinnen.
Herr Friedl, schön, dass wir uns heute unterhalten! Wie haben Sie als Hochschule die zwei Jahre Pandemie bisher erlebt?
Wir haben am Anfang eine wahnsinnig schnelle Hinwendung zum digitalen Lehren und Lernen gehabt, hatten also drei Semester durchgehend reine Onlinelehre. Diese Umstellung haben wir meiner Ansicht nach damals sehr gut geschafft. Gleichzeitig fehlen aber die Studierenden. Nicht nur uns. Für einige Studierende war es – und ist es immer noch – eine schwierige Phase ohne jegliche sozialen Kontakte zu studieren. Jetzt im Wintersemester (Oktober bis April) haben wir das erste Mal wieder eine weitgehend normale Präsenzlehre.
Der fehlende soziale Kontakt ist auch etwas, was uns immer wieder in Diskussionen über die Pandemie bei Studierenden begegnet. Was waren denn für Sie als Hochschule die größten Herausforderungen der letzten Monate?
Mit Sicherheit die Umstellung auf die durchgängig digitale Lehre und Prüfungen. Die größte Herausforderung war aber, die Studierenden weiterhin als Hochschule umfassend zu begleiten. Das bedeutet nicht nur, sie in den entsprechenden Fächern zu unterrichten und auszubilden. Sondern auch eine Umgebung für die jungen Menschen zu schaffen, in der sie wichtige Kontakte knüpfen und ein Netzwerk aufbauen können, das später im beruflichen Leben notwendig ist und ihnen hilft.
Gibt es durch die Pandemie hervorgerufene Änderungen, die Sie auch über diese Zeit hinaus im Hochschulbetrieb beibehalten werden?
All das, was wir über die digitale Lehre gelernt haben, wird definitiv bestehen bleiben. Bei uns war die Pandemie, wie in vielen anderen Bereichen auch, ein Innovationsbeschleuniger. Dinge, von denen wir vorher gedacht haben, das funktioniert nicht, gingen plötzlich doch.
Als Beispiel: Es gibt viele hochkarätige Gastdozent:innen, die früher vielleicht keine Zeit hatten, den Weg nach München oder an einen unserer anderen Standorte auf sich zu nehmen. Die Pandemie hat gezeigt, dass es wesentlich einfacher ist, diese Referent:innen einzubinden, wenn sie sich online in den Klassen zuschalten können, weil sie sich so Zeit und Weg ersparen. Das ist sicherlich etwas, was wir auch nach der Pandemie beibehalten werden.
Sind damit auch Gastdozent:innen aus der freien Wirtschaft gemeint?
Genau! Wir hatten im letzten Semester eine Vorlesungsreihe mit hochkarätigen Praktiker:innen, Vorstandsvorsitzende von DAX-Unternehmen wie EON beispielsweise oder Siemens Energy. Jeden Donnerstagabend hat eine:r dieser Expert:innen etwas über die Herausforderungen der Digitalisierung in der jeweiligen Branche erzählt. All diese Dozent:innen in der Dichte und Qualität zu uns zu bringen, war nur aufgrund dessen möglich, dass die Vorlesungsreihe online stattgefunden hat. Dadurch haben wir gemerkt, dass wir in der Pandemie die Unternehmenspraxis deutlich stärker in die Vorlesungen einbeziehen konnten.
Und wie wurde der stärkere Praxisbezug von den Studierenden angenommen?
Der Kurs war wahnsinnig beliebt, mit mehreren Hundert Teilnehmer:innern! Und einem sehr intensiven Austausch. Die Referent:innen haben ca. 30 bis 40 Minuten gesprochen, anschließend konnten die Studierenden ihre Fragen stellen. Das war toll, ausgiebig und unterhaltsam! Und ist vielen gut im Gedächtnis geblieben, wenn man die Prüfungsergebnisse betrachtet.
Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Eingangs erwähnten Sie, dass die Studierenden mit der Situation der vergangenen Monate zu kämpfen hatten. Wie nehmen Sie denn die aktuelle Stimmung der Studierenden wahr?
Inzwischen hat sich die Stimmung schon verbessert. Die Studierenden sind wieder optimistischer, weil sich langsam ein Weg aus der Pandemie abzeichnet. Bei aller Unsicherheit und den hohen Infektionszahlen, die wir momentan noch haben, ist es schon so, dass die Studierenden bei uns mit einer sehr hohen Quote geimpft sind. Zudem schätzen die Studierenden die neue Flexibilität. Momentan können sie an Vorlesungen physisch oder, in fast allen Fällen, auch digital teilnehmen. Durch einen Livestream oder eine Aufzeichnung stellen wir die Vorlesungen allen zur Verfügung, die nicht dabei sein wollen oder können.
Gleichzeitig merken wir auch, dass die Jobmärkte während der Pandemie überraschenderweise nicht gelitten, sondern im Gegenteil eher angezogen haben. Momentan ist es so, dass die Unternehmen bei uns fast Schlange stehen, um mit unseren Absolvent:innen in Kontakt zu kommen. Das ist natürlich für unsere Studierenden ein gutes Gefühl. Zu wissen, dass man am Ende eines durch Corona eventuell beeinträchtigten Studiums nicht chancenlos dasteht, sondern vielleicht sogar bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, als noch vor einigen Jahren.
Und wie verhält es sich bei den Studierenden, die sich noch mitten im Studium befinden und nach einer Werkstudierendentätigkeit oder einem Praktikum suchen, finanziell vielleicht sogar darauf angewiesen sind?
Meinem Eindruck nach, haben die Studierenden eine Vielzahl an Möglichkeiten, die in den letzten Jahren noch zugenommen haben. Viele Unternehmen suchen händeringend nach Unterstützung. Auch in klassischen Bereichen für studentische Aushilfskräfte wie der Gastronomie. Dort gehen sie sogar mittlerweile soweit, dass sie den Stundenlohn angehoben haben, um attraktiv zu bleiben. Aber auch andere Unternehmen aus der freien Wirtschaft berichten mir, dass sie händeringend nach Studierenden suchen. Ich bekomme täglich Anfragen von Unternehmen, ihre Ausschreibungen für Werkstudierendentätigkeiten über die Kanäle der Universität zu posten. Die Nachfrage hat hier deutlich zugenommen.
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Haben Sie Tipps für Unternehmen, für die Stellenausschreibung oder auch, wenn sie mit den Hochschulen in Kontakt treten, wie sie erfolgreich ihre Werkstudierendenstellen besetzen können?
Das wichtigste ist, eine interessante Aufgabe für die Studierenden anzubieten. Damit meine ich Aufgaben, bei denen Studierende auch Verantwortung übernehmen können, wo es um mehr geht als nur das klassische Kaffeekochen.
Ich nehme auch wahr, dass Studierende mittlerweile sehr genau darauf schauen, was sie thematisch machen: Sie wollen zunehmend in Werkstudierendentätigkeiten einen Sinn erkennen. Jobs, die im weiteren Sinne mit Nachhaltigkeit zu tun haben, wo sie ein Stück weit zur Verbesserung der Welt und der Gesellschaft beitragen können. Stellenausschreibungen, bei denen ein Purpose deutlich herauskommt, werden wesentlich besser angenommen. Unternehmen müssen daher darauf achten, was sie als Gesamtpaket anbieten. Stimmt das Paket für die Studierenden, kommen sie auf jeden Fall.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Friedl!
Über Gunther Friedl
Gunther Friedl ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Inhaber des Lehrstuhls für Controlling sowie Dekan an der TUM School of Management der Technischen Universität München. Zudem ist er Vorstandsvorsitzender des TUM Management Alumni e.V.s, die seit 2021 Partner im JobTeaser-Hochschulnetzwerk sind.