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Warum klassische Bewerbungsprozesse veraltet sind – Matthias Haller im Interview

  • Dienstag, 3. Mai 2022
  • Svenja Rausch

Der HR-Markt steht vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Der War for Talent genannte, rege Wettbewerb um die jungen Talente der Gen Z, spielt eine immer größere Rolle und stellt Recruiter:innen vor zahlreiche Fragen.

Matthias Haller Portraitfoto

Der HR-Markt steht vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Der War for Talent genannte, rege Wettbewerb um die jungen Talente der Gen Z, spielt eine immer größere Rolle und stellt Recruiter:innen vor zahlreiche Fragen. Welche Antworten Matthias Haller darauf hat und warum er ungern vom Label Gen Z spricht, erzählt er in unserer Interviewreihe HR Expert:innen Europas.


Hi Matthias. Als Redakteur im Personalmagazin bist du nah an den Themen, die meine Leser:innen und mich interessieren. Stell dich und deine Tätigkeit doch bitte kurz vor. 

Sehr gern! Ich heiße Matthias Haller und arbeite seit drei Jahren als Redakteur beim Personalmagazin der Haufe Group in Freiburg im Breisgau. Gemeinsam mit meiner Kollegin Melanie Rössler verantworte ich unter anderem die Printausgabe unseres monatlichen Magazins. 

Personalmagazin ist das meistgelesene Fachmagazin für HR-Themen in Deutschland und hat den Anspruch, unseren Leser:innen Impulse zur Gestaltung der Arbeitswelt zu geben. Wir sind also nah an den Trends und Entwicklungen der Szene und geben wertvolle Einblicke in die Praxis. Dabei wollen wir verschiedene Zielgruppen in HR erreichen – vom Vorstand bis zum HR-Business-Partner. 

Wodurch wir uns abheben, ist sicherlich unsere Optik. In unserem Layout verbinden wir die inhaltliche Tiefe eines Fachmagazins mit dem visuellen Leseerlebnis einer Zeitschrift. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir unsere großen Interviews immer mit einem exklusiven Fotoshooting begleiten. Dabei entstehen großartige Bilder!

Das kann ich mir vorstellen, die Bilder und Layouts sind mir schon oft aufgefallen. Mit welchen HR-Themen beschäftigst du dich selbst hauptsächlich?

Thematisch bin ich Quereinsteiger in HR. Vor meiner Zeit beim Personalmagazin habe ich mich als Redakteur mit verschiedensten Themen beschäftigt: von Sport über Mobilität bis Wirtschaft. Wir arbeiten in der Redaktion in agilen Strukturen und mit flachen Hierarchien. Das bedeutet, dass alle Teammitglieder verschiedene Rollen und Aufgaben übernehmen – inhaltliche Schwerpunkte genauso wie organisatorische Aufgaben. Zu meinen Schwerpunktthemen gehören beispielsweise die Rubrik „Strategie & Führung“ und unsere Sonderausgabe „HR-Software“.

Agile Strukturen und flache Hierarchien sind definitiv auch Aspekte, die der Gen Z wichtig sind. Was meinst du, warum sollten Recruiter:innen auf der Suche nach Talenten der Gen Z ausgerechnet das Personalmagazin lesen? 

Ich halte wenig von Labels wie dem der Gen Z. Sie sind aus meiner Sicht vor allem ein Marketingtrick. Wissenschaftlich gesehen funktionieren die Generationenkonzepte nur bedingt, wie beispielsweise der Soziologe Martin Schröder anhand einer Studie belegt [„Der Generationenmythos“, Anm. d. Red.]. Demnach zeigen die verschiedenen Alterskohorten kaum Unterschiede hinsichtlich ihrer Einstellungen zum Leben und zur Welt. Wichtiger ist aus meiner Sicht, zu verstehen, was sich Arbeitnehmer:innen – egal ob jung oder alt – wünschen, was sie motiviert, was sie bewegt. Diesen Fragen gehen wir im Personalmagazin nach. Und Recruiter:innen erfahren außerdem, welche Tools und Trends ihnen dabei helfen können, die passenden Talente für ihr Unternehmen zu finden, zu gewinnen und langfristig zu binden.

[Seine Sicht auf die Generationendebatte hat Matthias Haller kürzlich auch in einem Beitrag bei Haufe ausgeführt, Anm. d. Red.]

Das ist eine interessante Sicht auf die Gen Z. So oder so steht fest: In Zukunft wird sie einen Großteil der Arbeitnehmer:innen ausmachen. Wie sollte sich das Recruiting dafür deiner Meinung nach verändern, um die jungen Talente anzusprechen? 

Die Kanäle und die Ansprache werden sich verändern. Das geschieht bereits jetzt. Manche Unternehmen setzen Chatbots ein, die Interessenten erste Fragen zur Bewerbung oder zum Job beantworten. Andere verzichten auf klassische Anschreiben – und erlauben Kurzbewerbungen, die nur wenige Minuten dauern. Daraufhin meldet sich dann das Unternehmen, um weitere Infos einzuholen. Zudem werden Stellen inzwischen auch auf Plattformen wie LinkedIn, Instagram oder sogar TikTok ausgeschrieben. Unternehmen suchen also stärker dort, wo sich jüngere Menschen aufhalten. Gleichzeitig versuchen sie, die Hürden für eine Bewerbung möglichst gering zu halten. Bewerben wird also einfacher, schneller und manchmal auch bequemer. Das spiegelt sich oft in der Ansprache wider, die deutlicher lockerer ist als noch vor zehn Jahren.

Der Mangel an Fachkräften wird sich in manchen Branchen perspektivisch noch verstärken. Das heißt, dass Unternehmen mehr dafür tun müssen, Top Talente von sich zu überzeugen. Wer die passenden Qualifikationen mitbringt, wird sich in manchen Berufsfeldern den Job aussuchen können. Gleichzeitig sollten Recruiter darauf achten, Talente zu gewinnen, die zum Unternehmen und seiner Kultur passen. Das gilt übrigens für beide Seiten.

Ein wichtiger Punkt, den du da ansprichst. Der War for Talent wird uns in Zukunft auf jeden Fall weiterhin begleiten. Du hast schon die Veränderungen der Bewerbungsprozesse beschrieben. Wo siehst du allgemein die Trends im HR-Bereich? 

HR wird insgesamt datengetriebener. Diese Entwicklung ist nicht neu, hat sich aber im Zuge der Pandemie noch einmal verstärkt. Immer neue Tech Start-ups drängen in den HR-Markt. KI-Anwendungen sind auf dem Vormarsch – wobei Unternehmen sehr genau hinschauen sollten, wo wirklich Künstliche Intelligenz drin steckt und wo nur so getan wird als ob. Davon abgesehen sind in diesem Zusammenhang ethische Fragen zu klären: Wer trifft die letzte Entscheidung? Mensch oder Maschine? Wie kann verhindert werden, dass Algorithmen beispielsweise beim Auswahlprozess von Bewerber:innen diskriminieren?

Nicht unbedingt ein Trend, aber zumindest eine wichtige Erkenntnis der Pandemie ist außerdem, dass die Menschen in den Unternehmen die wertvollste und verletzlichste Ressource sind. Unter verschiedenen Schlagworten wie beispielsweise „People Sustainability“ suchen Beratungen und Unternehmen nach Konzepten und Lösungen, um nachhaltigere Personalarbeit zu betreiben – vom Gesundheitsschutz über Entwicklungsmöglichkeiten bis zum Offboarding, also dem Verabschiedungsprozess, sollten Mitarbeitende doch einmal das Unternehmen verlassen.

Danke für das Gespräch und deine spannenden Antworten, Matthias!

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Über HR Expert:innen

In regelmäßigen Abständen interviewen wir Top Expert:innen zum Thema HR, Recruiting und Employer Branding für die junge Generation. Dabei sind Journalist:innen, Blogger:innen, Podcaster:innen und Influencer:innen, die Personaler:innen für das Recruiting der Gen Z auf jeden Fall kennen sollten.