Weshalb beim Recruiting der Gen Z Schnelligkeit der Schlüssel ist: Eva Stock im Interview
- Dienstag, 23. November 2021
- Svenja Rausch
Die HR-Welt macht es sich gern bequem. Warum etwas verändern, wenn es doch vermeintlich leichter ist, dass alles beim Alten bleibt?
Die HR-Welt macht es sich gern bequem. Warum etwas verändern, wenn es doch vermeintlich leichter ist, dass alles beim Alten bleibt? Doch jetzt, wo die Gen Z zunehmend auf den Markt strömt, funktionieren alte Wege oft nicht. Weshalb Recruiter:innen aufhören müssen, sich zurückzulehnen erzählt Eva Stock in unserer Interviewreihe “HR Expert:innen”.
Liebe Eva, wunderbar, dass du dir die Zeit nimmst, mit uns zu sprechen! Deinen Blog “HR is not a crime” finden nicht nur wir klasse, sondern auch viele andere Personaler:innen und HR-Interessierte. Könntest du dich und den Blog für diejenigen, denen du bisher noch unbekannt bist, kurz vorstellen?
Eva Stock: Klar! Mein Name ist Eva Stock, ich bin 36 Jahre alt und HR- und Recruiting-Expertin in Berlin. Mittlerweile bin ich seit über 10 Jahren im HR-Bereich unterwegs. Dabei habe ich schon viele Stellen ausgefüllt: von Personalentwicklungs- über Businesspartner bis hin zu Marketing- und Management-Positionen. Und das in völlig unterschiedlichen Umgebungen - von Start-up bis Konzern.
HR is not a crime ist sowas wie meine persönliche Marke, mein Mantra und mein treuer Begleiter geworden. Ursprünglich war es einfach nur ein Blogname. Aber irgendwann hat es sich verselbstständigt und es kamen immer mehr Anfragen zu Beratung, Coaching oder Speakings dazu. Auch dadurch lerne ich die komplette Bandbreite von Unternehmen kennen. Egal ob öffentliche Verwaltung, Mittelständler, Start-ups oder Konzern. Deutschland hat eine wirklich sehr vielfältige Unternehmenslandschaft.
Dass HR is not a crime so ein Eigenleben entwickelt, war ehrlich gesagt nie geplant, aber mir gefällt das sehr gut. Der Blog war ursprünglich wirklich eine 10-Minuten-Idee. Ich hab einfach ein bisschen gegoogelt, wie das so geht mit einem Blog und was man so dafür machen sollte. Und schon war hrisnotacrime.com geboren.
Super, danke! Das war eine perfekte Einleitung. Mit welchen HR-Themen beschäftigst du dich denn hauptsächlich auf dem Blog?
Eva Stock: Puh, eine nicht so leicht zu beantwortende Frage. So bunt wie meine HR-Erfahrungswelt ist nämlich auch der Blog. Ich bin ein sehr neugieriger und offener Mensch. Ich kann nicht ohne den Blick über den Tellerrand durch das Leben gehen. Das ging wirklich noch nie und das hat mich zu Anfang meiner Karriere arg in die Bredouille gebracht.
Der Blog war ursprünglich mal Mittel zum Zweck, um mir Luft zu verschaffen und zu zeigen: Ich kann und bin mehr als die Konzern-Personalentwicklerin. Daher findet man auf hrisnotacrime.com eine wilde Mischung aus HR- und Recruiting-Themen, aber auch Gedanken zu Vereinbarkeit von Beruf und Leben, etwas zu Gleichberechtigung und Diversity oder spannende Interviews wie z. B. zu Tod und Trauer am Arbeitsplatz.
Mein Blog ist ein Spiegel meines Netzwerks und meiner Welt. Wenn ich jemand Interessantes kennenlerne oder mich etwas beschäftigt, dann kommt es nicht selten auf den Blog. Es gibt keine stringente Themenwahl, außer dass es irgendwo an HR andocken muss.
Eine schöne HR-Wundertüte also, mit der Leser:innen sicher nicht langweilig wird! Wahrscheinlich zeichnet auch das den Blog besonders aus, oder was würdest du sagen, unterscheidet HR is not a crime von anderen Blogs der HR-Welt?
Eva Stock: Das auf jeden Fall auch! Generell würde ich sagen, bin recht gut darin, eine starke Meinung etwas versöhnlicher zu verpacken. Theoretisch würde ich gerne mal öfter auf den Tisch hauen und sagen: "Hallo?! Geht's noch?! Nee - so geht's nicht!" Aber dann frage ich mich: Würde ICH sowas gerne lesen wollen? Eher nicht.
Daher schaffe ich eine Balance aus Meinungs- und (nennen wir es mal) Denkanregung-Content. Gut recherchierten und aufbereiteten Wissenscontent findet man bei anderen Kolleg:innen viel besser. Auch dadurch bedingt, dass ich diese Art des Wissenstransfers seit drei Jahren vor allem für den Blog meines Arbeitgebers Jobufo reserviert habe. HR is not a crime ist mein Hobby und dementsprechend schreibe ich die Inhalte oft am Wochenende. Da möchte ich dann nicht das replizieren, was ich unter der Woche mache. Sonst wird man am Ende noch denkfaul – und das wäre mein Albtraum.
Da du dich sowohl in deiner Freizeit als auch im beruflichen Kontext intensiv mit der HR-Welt beschäftigst, hast du doch sicher einen guten Überblick über aktuelle Trends in der Branche oder? Wo siehst du hier vielleicht auch Handlungsbedarf?
Eva Stock: Da müsste ich theoretisch wieder mit dem Thema "Digitalisierung" loslegen. Und damit dann auch konkret neue Technologien wie Blockchain ansprechen. Oder den "Evergreen" KI. Hier gibt es wirklich unendlichen Nachholbedarf im HR-Bereich. Vor allem jetzt, wo mit der Gen Z eine Generation mit Digital Natives auf den Arbeitsmarkt kommt. Ich bin auch keine ausgewiesene Digital-Expertin, aber wann immer ich über etwas Neues stolpere, google ich mich da erstmal ein bisschen rein und schwelge dann auch gerne mal in gefährlichem Halbwissen. Aber sobald ich auf eine:n Expert:in treffe, lass ich mir gerne erklären, was ich alles falsch verstanden habe. Und das ist es, was Personaler:innen oft fehlt: Die Zeit und die Lust, sich mit Gedankenansätzen auseinanderzusetzen, die den eigenen Wirkungskreis vermeintlich überschreiten. Das ist leider suboptimal, da das vernetzte Denken einer der wichtigsten Skills für die Arbeitswelt der Zukunft ist.
Letztens haben Jannis (Tsalikis) und ich auf Amazon eine interessante Rezension für unser Buch "HR True Story" bekommen, die im übertragenen Sinne lautete, dass das Buch wohl für Uralt-Personaler:innen geschrieben sei. Weil so doof wie sich die Menschen in den Geschichten anstellen, das sei ja nicht das, was in modernen Unternehmen abginge. Und am besten hat mir die Aussage gefallen: "Wenn ich was wissen will, dann google ich das..."
Davon abgesehen, dass die meisten Geschichten in dem Buch leider immer noch sehr relevant sind und eben nicht nur aus angestaubten Umfeldern stammen, fand ich die Rezension richtig cool, auch wenn sie in der Sternebewertung mies ausfiel. Sie zeigt nämlich: There's a new breed of HR in town. Sich selbst Infos besorgen, sich vernetzen – auch über Unternehmensgrenzen hinaus – und manchmal auch einfach mal machen und ausprobieren. Das muss unbedingt Trend werden, sonst wird das nichts mehr mit HR.
Ja, da triffst du wirklich einen wunden Punkt der HR-Branche. Die Fähigkeit, agil zu sein, wird auch mit Blick auf die Generation Z, die langsam den Arbeitsmarkt flutet, stetig relevanter. Wie sollte sich das Recruiting deiner Meinung nach verändern, um die jungen Talente anzusprechen?
Eva Stock: Recruiting muss insgesamt schneller werden. JobTeaser hat ja auch immer spannende Studien dazu am Start. Im Rahmen einer Semesterarbeit mache ich mit Studierenden von Prof. Anja Lüthy von der TH Brandenburg eine Befragung zu genau diesem Thema. Was erwarten jungen Talente überhaupt von einem modernen Recruiting-Prozess? Und wie sollten sich Arbeitgeber überhaupt positionieren?
Ich denke, Schnelligkeit wird mal wieder unter den top Antworten sein, aber auch da gibt es Abstufungen. Nach dem Eingang des CV beispielsweise, darf sich ein:e Personaler:in schon auch etwas Zeit für das Screening nehmen. Nach zwei Tagen sollte dann aber auch eine erste Rückmeldung erfolgen, ob und wie es weitergeht. Das hat zumindest eine Vor-Corona-Umfrage in 2019 ergeben.
Generell müssen wir als Recruiter:innen endlich begreifen: Die Welt ist super schnell geworden. Wenn wir einem Kundenservice schreiben, dann erwarten wir auch einfache wie schnelle Kontaktmöglichkeiten und verbindliche und zeitnahe Unterstützung. Wieso sollten wir diesen Standard nicht auch im Recruiting anlegen? Genau das erwartet die Gen Z. Viele Unternehmen weichen nun darauf aus, dass Name und eine Kontaktmöglichkeit reichen, um sich zu bewerben. Vor allem, um der immer größer werdende Zahl an mobilen Bewerbungen gerecht zu werden. Wer hat schon seinen CV auf dem Smartphone?
Das Unternehmen bzw. die Recruiter:innen übernehmen nach der minimalen Kontaktaufnahme den Rest. Die Dokumente werden im Nachgang eingesammelt. Wichtig ist die schnelle Interaktion, um Kandidat:innen an der Angel haben. Bei Jobufo machen wir das schon lange so in großem Stil für unsere Unternehmenskunden. Es funktioniert!
Bei Akademiker:innen ist manches noch etwas flexibler zu betrachten - sie geben sich auch gerne etwas mehr Mühe und erstellen auch mal einen CV und ein Anschreiben, wenn es sein muss. Wirklich Lust darauf hat aber eigentlich niemand mehr. Man sollte die Leute also nicht noch mit ellenlangen Formularen quälen, die nicht mobil optimiert sind.
Und was man dann auch wissen muss: Wenn sich die jungen Leute schon solche Mühe machen, dann erwarten sie andersrum auch einen minimalen Aufwand. Eine Bewerbung vier Wochen im Postfach rumliegen zu lassen oder schnippische Antworten am Telefon zu geben als Recruiter:in - das sind No-Gos und werden direkt bestraft. Indem die Kandidat:innen fröhlich weiterziehen.
Auch hier können wir dir nur zustimmen. Möchtest du vielleicht noch ein paar abschließende Worte hinzufügen?
Eva Stock: Neue Bewerbungsmöglichkeiten gibt es wie Sand am Meer - nur eingesetzt werden sie immer noch extrem zurückhaltend. Warum eigentlich?! Ich sage: Weil es vermeintlich bequemer für HR ist, die Dinge so zu halten, wie sie schon immer waren... aber – und das muss ich mal in dieser Härte sagen – wenn die Bewerber:innen wegbleiben, dann liegt es am schlechten Personalmarketing und den falschen Bewerbungsmöglichkeiten. Und dann sollte man (um nochmal auf das Zitat von vorhin zurückzukommen) als HR einfach mal anfangen zu googeln…
Über HR Expert:innen
In regelmäßigen Abständen interviewen wir Top Expert:innen zum Thema HR, Recruiting und Employer Branding für die junge Generation. Dabei sind Journalist:innen, Blogger:innen, Podcaster:innen und Influencer:innen, die Personaler:innen für das Recruiting der Gen Z auf jeden Fall kennen sollten.