Dürr Group

Leading in Production Efficiency

Unternehmenstyp

Großunternehmen


Branche

Andere Industrien


Standort

Bietigheim-Bissingen

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Grünes Nervensystem für die Lackieranlage

Um Automobillackieranlagen so energieeffizient wie möglich zu betreiben, werden bei Dürr nicht nur einzelne Prozesse und Produkte betrachtet, sondern die Anlage als Ganzes. EcoQPower ist ein individuell für jede Lackieranlage optimierbares Wärme-Kälte-Verbundsystem, das alle Komponenten intelligent miteinander vernetzt, damit nahezu keine Energie mehr ungenutzt bleibt. In einem ersten Kundenprojekt wurde der Gesamtenergieverbrauch um rund 21 % gesenkt. Drei Dürr-Mitarbeiter aus Engineering, Forschung & Entwicklung und Vertrieb berichten – über die Idee hinter EcoQPower, die Entwicklung und den Einsatz beim Kunden.


Herr Hammen, Sie sind aus dem Engineering und haben die Idee hinter EcoQPower ausgetüftelt. Wie sind Sie darauf gekommen, Lackieranlagen mit einem ganzheitlichen grünen Nervensystem auszustatten?

Alexander Hammen: Die ganze Idee hat mit einer simplen Fragestellung vor ungefähr fünf Jahren begonnen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte: Warum haben Lackieranlagen so hohe Temperaturen im Warmwasser und so geringe Temperaturen im Kaltwasser? Wäre es nicht effizienter, die Warm- und Kaltwassersysteme miteinander zu verbinden und die Energie, die an einer Stelle nicht benötigt wird, woanders zu nutzen?

Als ich dann zu Besuch bei einer Lackieranlage in einer klimatisch herausfordernden Region war, habe ich den Gedanken weitergesponnen: Jeder Standort ist mit seinen klimatischen Bedingungen individuell zu betrachten. An heißen und feuchten subtropischen Standorten gibt es andere Voraussetzungen als etwa in Skandinavien. Das war der Startschuss für ein erstes Konzept, das ich auf Basis eines bestehenden Anlagensystems entwickelt habe. In meine Berechnungen flossen alle relevanten Daten aus dem Projekt ein, wie etwa der Energieverbrauch und die -kosten sowie die Messwerte der Wetterstation am Standort. Es hat sich herausgestellt, dass eine große Energieeinsparung möglich ist, wenn das Anlagensystem intelligent vernetzt wird. Über diese Erkenntnis habe ich meine Kollegen aus der Forschung & Entwicklung informiert. Dietmar Wieland hat nochmal nachgerechnet und ist auf dieselben Ergebnisse gekommen. Das hat den Stein endgültig ins Rollen gebracht.


Plötzlich waren Sie, Herr Wieland, mittendrin, als aus einer Idee ein Produkt entstand. Wie ging die Entwicklung daran weiter und was genau steckt hinter dem System? 

Dietmar Wieland: Es wurde sehr schnell konkret: Der Kunde, auf dessen Daten unsere Berechnungen fußten, beauftragte eine Machbarkeitsstudie für eine neue Lackieranlage. Diese führte zum Ergebnis, dass das Konzept funktioniert. Die Anlage wird aktuell gebaut – erstmals mit dem grünen Nervensystem EcoQPower.

In der Planung gehen wir folgendermaßen vor: Unter Einbezug der klimatischen Bedingungen des Standorts und Daten wie der Produktionsmenge, dem Fahrzeugtyp und dem Lackierprozess ermitteln wir den Wärme- und Kältebedarf. Das wird auch als Quellen-Senken-Profil bezeichnet. Daraus werden die optimalen Temperaturniveaus definiert und es wird abgeleitet, wo Warm- und Kaltwassertanks, Wärmepumpen und Kühltürme installiert werden müssen. Damit ist das System EcoQPower komplett.

Bislang wird in Lackieranlagen in der Automobilindustrie Energie zentral und oft nach dem Gießkannenprinzip bereitgestellt. Die meisten Prozessschritte werden mit demselben Temperaturniveau versorgt, obwohl es nicht alle brauchen. Mit EcoQPower erhält jeder Prozessschritt nur das tatsächlich benötigte Niveau. Kälte und Wärme werden dezentral in der Lackieranlage elektrisch erzeugt, größtenteils wieder zurückgewonnen und über eine Energievernetzung erneut an die Komponenten verteilt. Auch bisher ungenutzte Energie geht mithilfe dieses intelligenten Systems nicht verloren: Wärme, die bei diversen Prozessschritten als Beiprodukt entstand, verpuffte bislang. EcoQPower macht diese jetzt nutzbar und versorgt andere Bereiche der Lackieranlage mit der zurückgewonnenen Energie. Kurzum: Anlagenbetreiber profitieren von vielerlei energetischen Vorteilen. Die Zahlen hat mein Vertriebskollege Bertram Benning parat, der sich intensiv mit der Nachhaltigkeit von Dürr-Produkten befasst.


Im Werk eines deutschen Automobilherstellers nimmt derzeit die erste mit EcoQPower optimierte Lackieranlage Gestalt an. Generell ist das Interesse an dem intelligenten Energienetzwerk sehr groß. Herr Benning, was erwarten sich die Kunden vom Einsatz des EcoQPower?

Bertram Benning: Das Stichwort lautet Dekarbonisierung. Die EU will bis 2050 klimaneutral werden und viele Automobilhersteller haben sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Um diese zu erreichen, müssen sie ihre Produktionsprozesse möglichst energieeffizient gestalten. Im Gesamtprozess der Automobilherstellung verbrauchen Lackieranlagen die meiste Energie, denn die Karosserien zu reinigen und zu grundieren, den Lack aufzutragen und zu trocknen ist sehr energieintensiv – jede nicht verbrauchte Kilowattstunde ist da der beste Klimaschutz! Hier kommt EcoQPower ins Spiel, dessen Einsatz einen entscheidenden Unterschied machen kann. Das zeigen die Zahlen unseres ersten Kundenprojekts: Die mit dem Energieverbundsystem optimierte Lackieranlage ist um rund 21 % energieeffizienter als eine vergleichbare moderne Standardanlage.

Das ist nur der erste Anwendungsfall, denn EcoQPower kann je nach Kundenanforderungen weltweit eingesetzt werden. Mit EcoQPower optimierte Anlagen können sowohl mit Gas als auch mit Strom betrieben werden – ein großer Vorteil! Denn die Elektrifizierung des Lackierprozesses macht Kunden unabhängig vom fossilen Energieträger Gas und ist neben der Energieeffizienz der zweite wichtige Hebel für den Klimaschutz. Für unseren Kunden haben wir beispielsweise eine vollständig elektrifizierte Lackieranlage entwickelt, die mit Ökostrom komplett emissionsfrei betrieben werden soll. Im Vergleich zum Gasbetrieb sind die Betriebskosten durch den Ökostromeinkauf zwar zunächst höher, die Energieeinsparungen aufgrund der erhöhten Energieeffizienz dank EcoQPower gleichen dies jedoch aus. Gleichzeitig ist dies die erste Lackieranlage, die konform mit den Anforderungen der EU-Taxonomie ist. Das zeigt einmal mehr: Mit zukunftsweisenden Technologien wie EcoQPower ebnen wir den Weg zu einer betriebskostenoptimierten und klimaneutralen Autoproduktion.

https://www.durr-group.com/de/duerrmore/gruenes-nervensystem-fuer-die-lackieranlage